Mediencoach Oliver Schroeder im Interview mit der Netzwoche:
Wer bloss informieren will, schreibt besser ein Mail, wer überzeugen will, muss sich vor die Leute stellen.
Eine Präsentation zu halten ist keine leichte Aufgabe. Dabei sind Auftritte vor Publikum und der Kamera für viele Führungspersonen unumgänglich. Medien- und Auftrittstrainer Oliver Schroeder sagt im Interview, warum eine gute Kommunikation für die IT immer wichtiger wird und weshalb man seine Zuhörer beim Präsentieren auf eine Reise mitnehmen muss.
Kann jeder lernen prägnant aufzutreten?
Oliver Schroeder: Jeder. Aber nicht jeder hat es dabei gleich leicht. Ich habe mit Kunden zwei Stunden gearbeitet und mit anderen über Jahre. Am Ende sind alle besser geworden.
Veränderung ist immer eine Reise, wie gute Kommunikation übrigens auch.
Warum ist das Auftreten vor Publikum oder einer Kamera für so viele Leute unangenehm?
Wir fühlen uns oft nackt und einsam da vorne, wollen eigentlich in den Arm genommen werden, anerkannt, respektiert und bestenfalls gefeiert oder noch besser, geliebt werden. Das ist auch gut so. Wir müssen nicht nur inhaltlich Nutzen stiften, fokussiert und verständlich sein. Nur wer sich aber als Mensch zeigt und Anderen Einblick in das eigene Denken und Fühlen gibt, schafft die Nähe, die es für einen überzeugenden Auftritt braucht.
Dabei wissen wir aber nie, was wir dafür bekommen: Anerkennung oder Abkehr. Es braucht also eine gute Portion Mut und intensive Vorbereitung. Da hilft es, wenn wir tief in uns, ein Anliegen spüren und wirklich etwas zu sagen haben. Alles andere kann unser Publikum nämlich nachlesen.
Wie nehmen Sie den Leuten die Angst vor Präsentationen, Reden, Medienauftritten und dergleichen?
Im Publikum sitzen keine Feinde, sondern Interessierte, Neugierige oft sogar freundlich zugewandte Menschen, die meist ein Anliegen haben, bei dem man als Vortragender Nutzen stiften und etwas auslösen kann. Nervosität geht, Angst bleibt. Darum gilt es, den inneren Fokus zu verschieben, auf die Themen, sich auf die eigenen Kompetenzen und Erfahrungen abzustützen. Nicht die Dinge machen uns Angst, sondern die Vorstellung von den Dingen und die spielt sich nur im Kopf ab. Wir brauchen also das richtige Kopfkino. Man darf sogar Angst haben, aber die Angst darf einen nicht haben. Auch der mutigste Samurai hatte Angst. Aber er hat sich mit seiner Angst verbündet. Sie hat ihm im Kampf das Schwert geführt.
Wie steht es um Ihre Nervosität vor einem Auftritt?
Ich bin immer etwas aufgeregt, Auftritt für Auftritt. Jahr für Jahr. Zum Glück. Sonst würde ich mir Sorgen machen. Auch wenn ich mit oder vor Menschen in Top-Positionen als Coach oder Trainer auftrete, habe ich nur ein paar Minuten für das „on boarding“.
Sonst bin ich raus. Aber ich begrüsse mein Aufgeregt-sein wie einen alten Freund. Dann atme ich richtig und tief und verlasse mich auf mich, meine Vorbereitung und Erfahrung. Das musste ich aber auch erst lernen.
Was ist das Wichtigste wenn man einen guten Auftritt hinlegen will?
Mehr Inspiration, weniger Information. Es geht immer um das Publikum. Ich muss wissen, was ich, warum und wie sagen will und nicht nach dem Motto verfahren: „Wer nicht weiss, was er sagen soll, sagt alles was er weiss“. Das Publikum spürt, ob ich mit meinen Inhalten, Gedanken und Anliegen bei ihm bin.
Aber man hat nicht immer den Luxus etwas zu präsentieren für das man Feuer und Flamme ist.
Ich sollte den Aspekt in meinem Thema finden, von dem ich überzeugt bin. Falls ich ihn nicht finde, brauche ich nicht aufzutreten. Man kann schlichtweg keine gute Präsentation halten, von der man nicht überzeugt ist. Eine Präsentation zeichnet sich dadurch aus, dass ich bei den Menschen, die mir zuhören etwas auslösen will. Und das gelingt nur, wenn ich mich intensiv mit meinem Publikum beschäftige und einen Nutzen stifte. Information ist hier Mittel zum Zweck.
Man muss also seine Zielgruppe gut kennen?
Das sagen alle, aber das reicht nicht. Man muss die Zielgruppe nicht nur gut kennen, man muss sie auf eine Reise mitnehmen mit seinem Thema. Denn am Ende einer guten Präsentation sind die Leute mental woanders als davor. Aber das funktioniert nur, wenn derjenige der präsentiert, die Leute dort abholt, wo sie mit ihren Fragestellungen, Wünschen, Erfahrungen und mit ihrem Wissen stehen. Um das zu veranschaulichen, habe ich das Inselmodell entwickelt: Stellen Sie sich vor, Sie beginnen Ihre Präsentation auf Ihrer eigenen Insel. Nun können Sie ein noch so schönes Schiff bauen und damit den See hoch und runter fahren, aber das bringt alles nichts, wenn Sie das Publikum nicht mit an Bord holen. Sie müssen die Leute an der Anlegestelle abholen und mit ihnen gemeinsam durch das Thema reisen, um sie am Ende wieder an einem anderen Ort zu entlassen, der neue Perspektiven bietet.
Welchen Zweck hat ein Auftrittscoaching für Leute in Führungspositionen?
Klingt paradox, aber je digitaler unsere Welt wird, desto mehr rückt der persönliche Auftritt von Angesicht zu Angesicht wieder in den Fokus. Führung 4.0 geht immer weiter weg vom Prinzip der Macht. Jemand in einer Top-Position muss als Person und mit seinen eigenen Worten, Ideen und Anliegen überzeugen. Mehr Dialog, weniger Monolog.
Gibt es spezielle Kommunikationsanforderungen an Entscheider aus der IT-Branche?
Die IT als Expertenbranche spürt mehr und mehr, dass sie an den Schnittstellen zur „Nicht-Nerd-Welt“ besser, verständlicher und überzeugender kommunizieren muss. Das Thema IT durchdringt die gesamte Gesellschaft und alle Wissensbereiche. Damit stellt sich die Herausforderung, überzeugend aufzutreten und sich verständlich zu machen. Denn Kommunikation, die überzeugen will, braucht bei aller Digitalisierung, immer noch die persönliche Begegnung. Menschen überzeugen Menschen und darum setzen verstärkt auch technische Branchen und natürlich allen voran die IT auf Kommunikations- und Auftrittstrainings.
Welche Rolle spielt die Körpersprache bei einem Auftritt?
Eine grosse, denn sie ist viel mächtiger als wir meinen, aber sie ist aus meiner Sicht immer nur Verstärker und ein wichtiges Ausdrucksmittel der Person. Hier gilt: Form follows function. Wenn jemand nichts zu sagen hat, sehe ich das, spüre ich das, höre ich das als Zuschauer. Darum gilt: Mimik, Gestik, Stimme – sie alle sind Verstärker von dem, was jemand zu sagen hat. Eine starke Körpersprache, stärkt im Gegenzug auch immer das eigene Selbstbewusstsein. Viele haben es aber verlernt, in Kontakt mit ihrem eigenen Körper zu sein und ihn „mitreden“ zu lassen. Merkwürdigerweise ausgerechnet dann, wenn sie öffentlich sprechen müssen.
Was halten Sie von unterstützenden Mitteln wie Folien, Flipcharts und Bildern?
Über Visualisierungen kann ich Dinge sichtbar machen, die ich mit Worten so nicht vermitteln kann. Viele Präsentationen sind heute allerdings mehr betreutes Vorlesen als Präsentation. Man hat vollgeschriebene Slides und jemand steht vorne und rattert sie runter. Aber Visualisierung ist kein Selbstzweck. Als erstes muss ich mich Fragen, was der Nutzen meiner Präsentation ist und was ich den Leuten darum zu sagen habe.
Dann bereite ich die Inhalte auf, strukturiere sie, baue eine Dramaturgie des Erzählens und schreibe schlussendlich den Text. Erst jetzt überlege ich, an welchen Stellen es eine Visualisierung braucht und wie ich die Botschaft visuell ins Bild setze.
Was sind Präsentations-no-Gos?
DAS No-Go schlechthin ist, die Zeit der Menschen im Publikum zu rauben. Viele Präsentationen haben keine Dramaturgie. Der, der präsentiert, lädt zu viel Wissen beim Publikum ab und merkt gar nicht, dass er am Ende keine Präsentation hält, die die Leute bewegt, sondern eine betreute Vorlesestunde gibt. Das Publikum hat Wünsche, Bedürfnisse, Fragestellungen und Erfahrungen mit dem Thema. Die Leute hören mich als Redner an, weil sie glauben, dass sie von einer Interaktion mit mir, wie ich da vorne stehe, etwas Nützliches erfahren. Wir benehmen uns heute beim Präsentieren häufig immer noch so, wie in der Zeit, als nur einer lesen konnte und nur einer das Buch hatte. Dabei ist die reine Information beim Präsentieren nur ein Mittel zum Zweck. Ich frage mich vor jedem Auftritt, was mein Ziel ist. Wenn ich bloss informieren will, sollte ich das besser über digitale Kanäle tun und mich nicht vor die Leute stellen.
Sie standen jahrelang als Moderator und Reporter selber vor der Kamera. Was hat Sie dazu bewogen nun andere für ihre Auftritte zu coachen?
Ich fühle mich viel erfolgreicher, wenn ich anderen helfen kann, erfolgreich zu sein. Das ist viel befriedigender als selber vorne zu glänzen. Selber vor der Kamera zu stehen, hat viel mit Eitelkeit zu tun, aber anderen dabei zu helfen, ihr wichtiges Anliegen überzeugend zu präsentieren ist tief befriedigend. Glückliche Kunden machen mich glücklich.